Corona und Arbeitspflicht


Von Dr. Florian Stark
Von Dr. Marc-Oliver Eberspächer
17. April 2020

Corona und Arbeitspflicht

Die Kita/Schule meines Kindes ist geschlossen. Darf ich zur Betreuung meines Kindes zu Hause bleiben? Ist mein Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet?

Grundsätzlich gilt: Die Arbeit wird vom Arbeitnehmer grundsätzlich unabhängig davon geschuldet, ob die Betreuung des Kindes gesichert ist oder nicht. Sollte für den Arbeitnehmer jedoch überhaupt keine alternative Betreuung organisierbar sein, kann für das Elternteil ein sogenanntes Leistungsverweigerungsrecht wegen Unmöglichkeit bestehen. Dies wird insbesondere bei kleineren Kindern anzunehmen sein, da der Fürsorgepflicht für das Kind ein Vorrang vor der Arbeit einzuräumen ist.

Gemäß § 616 BGB steht dem Arbeitnehmer dann ein Anspruch auf Fortzahlung des Lohnes zu. Begründet wird dies damit, dass die mangelnde Betreuungsmöglichkeit für das Kind einen persönlichen Hinderungsgrund darstellt, welchen der Arbeitnehmer nicht zu verschulden hat. Die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes gilt jedoch nur für eine begrenzte Zeit. Diese umfasst nach allgemeiner Rechtsauffassung ca. fünf Tage.

Bitte beachten Sie jedoch, dass der Lohnfortzahlungsanspruch gemäß § 616 BGB im Arbeits- oder Tarifvertrag ausgeschlossen werden kann. In diesem Falle besteht selbstredend kein Lohnfortzahlungsanspruch.

In Zeiten von Corona gilt abweichend: Mit Wirkung ab 27.03.2020 hat der Gesetzgeber kurzfristig das Infektionsschutzgesetz geändert und §56 Abs. 1a IfSG eingefügt. Darin ist geregelt, dass Arbeitnehmer dann einen Anspruch auf eine staatliche Entschädigung haben, wenn Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen von der zuständigen Behörde zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten auf Grund des Infektionsschutzgesetztes geschlossen werden oder deren Betreten untersagt wird. Folgende Voraussetzungen gelten:

  • Eines der zu betreuenden Kinder muss unter 12 Jahre alt sein oder behindert und auf fremde Hilfe angewiesen sein,
  • es darf keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit existieren (nahe wohnende Großeltern in Rente o.ä.) und
  • es muss ein Verdienstausfall vorliegen. D.h. während Zeiten der Krankheit oder Urlaub ist keine Entschädigung möglich.

Auf Verlangen des Arbeitgebers oder der Behörde müssen die Voraussetzungen von Ihnen bewiesen werden.

Die Entschädigung zahlt der Staat an den Arbeitgeber, der wiederum die Entschädigung an den Sie ausbezahlt. Zur Beantragung können Sie sich an das Gesundheitsamt wenden.

Wichtig! Während der Schulferien gelten andere Bedingungen. Hierzu näher unten.

Wie hoch ist mein Anspruch, wenn ich wegen fehlender Kinderbetreuung nicht arbeiten kann?

Wenn Ihnen der Anspruch auf Lohn wegen der Notwendigkeit der Betreuung Ihrer  Kinder verloren geht oder dieser verringert ist, haben Sie Anspruch auf eine Entschädigung in Höhe von 67% des Verdienstausfalles. Maximal aber 2.016,00 EUR pro Monat (netto). D.h.:

  • wenn Sie gar nicht mehr arbeiten können und 0,00 EUR Lohn bekommen, erhalten Sie 67% Ihres bisherigen Nettolohns vom Staat, aber höchstens 2.016,00 EUR pro Monat
  • wenn Sie nur weniger arbeiten als zuvor, erhalten Sie von der Differenz zwischen bisherigem Nettogehalt und jetzigem Nettogehalt 67% vom Staat. Wiederrum aber höchstens 2.016,00 EUR.

Was gilt während der Schulferien?

Dem Infektionsschutzgesetz nach besteht kein Anspruch auf Entschädigung, soweit eine Schließung ohnehin wegen der Schulferien erfolgen würde. Hier hat der Gesetzgeber aber wohl einen Fehler gemacht. Ungeklärt sind u.a. folgende Fragen, die wir auch nicht abschließend beantworten können:

  • Welche Ansprüche haben Arbeitnehmer mit jungen Kindern? Die meisten Kitas und Kindergärten haben während der gesetzlichen Schulferien nicht geschlossen. Für viele dieser Kinder besteht keine Möglichkeit zur Betreuung, auch nicht zur Notbetreuung (meist nur für Kinder von Polizisten etc.).
  • Welche Ansprüche haben Arbeitnehmer, die am Wochenende arbeiten müssen und nun keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit mehr haben? Hier sind insbesondere systemrelevante Berufe wie Pflegekräfte, medizinische Arbeitskräfte und Mitarbeiter im Einzelhandel betroffen.

Diese Fragen müssen im Einzelfall entschieden werden. Generell gilt jedoch, dass Sie auf der sichersten Seite sind, wenn Sie Ihre Arbeitskraft in diesen Zeiten ordnungsgemäß erbringen und versuchen, sich mit dem Arbeitgeber zu einigen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Sie wegen Arbeitsverweigerung gekündigt werden könnten. Denn als Umkehrschluss ergibt sich aus dem oben dargestellten Entschädigungsanspruch, dass Sie ohne Anspruch auf Entschädigung auch kein Recht zur Verweigerung Ihrer Arbeitskraft haben. Diese Lage ist mehr als nur misslich und eine klare Folge einer undurchdachten und schnellen Gesetzgebung.

Muss der Arbeitgeber Schutzausrüstung stellen? Welche Schutzmaßnahmen kann ich erwarten?

Grundsätzlich gilt, dass der Arbeitgeber gegenüber seinen Beschäftigten eine Schutz- und Fürsorgepflicht hat. Er hat die erforderlichen Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu treffen. Welche Maßnahmen erforderlich sind, muss jedoch im Einzelfall geprüft werden. Z.B. werden bei medizinischem Personal, die sehr nah am Patienten arbeiten, andere Schutzmaßnahmen notwendig sein, als bei Mitarbeitern ohne oder nur unregelmäßigen Kundenkontakt. Wir stehen Ihnen hier gerne Rede und Antwort.

Arbeitgeber müssen Ihre Mitarbeiter aber in jedem Fall auf die einzuhaltenden Hygienemaßnahmen und Schutzvorkehrungen hinweisen und sie darin unterweisen.

Wir raten allen Arbeitnehmern, gemeinsam oder durch vertreten den Betriebsrat eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber anzustreben, in der die einzelnen konkreten Schutzmaßnahmen schriftlich festgehalten werden.

Ich gehöre zu einer Risikogruppe. Muss ich arbeiten gehen?

Auch wenn Sie zu einer Risikogruppe gehören, gilt grundsätzlich, dass Sie Ihre Arbeitskraft erbringen müssen. Sollten Sie einer Risikogruppen angehören, können Sie jedoch in vielen Fällen höhere Anforderungen an Schutzmaßnahmen und Schutzausrüstung gegenüber dem Arbeitgeber stellen. Wir beraten Sie gerne im Einzelfall.

Muss ich trotz Angst vor dem Corona-Virus zur Arbeit gehen?

Die Antwort lautet: Ja. Im deutschen Recht herrscht der Grundsatz, dass der Arbeitnehmer zur Arbeit verpflichtet ist. Die Arbeitnehmer dürfen der Arbeit nur dann fernbleiben, wenn sie arbeitsunfähig sind. Die Angst vor der Ansteckung mit dem Corona-Virus begründet jedoch keine Arbeitsunfähigkeit.
Das Gleiche gilt für die Situation, dass der öffentliche Personennahverkehr aufgrund der Corona-Krise eingestellt wurde und der Weg zur Arbeit dadurch erschwert ist. Dies liegt daran, dass das sogenannte „Wegerisiko“ bei dem Arbeitnehmer liegt.


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